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Für autonomes Fahren gibt es ein großes Hindernis

Das Auto bugsiert sich hier selbst in die Parklücke

Einparken in engen Parkhäusern ist für viele Autofahrer ein Graus. Bosch und Daimler schaffen da Abhilfe: Per Smartphone können sich Fahrer eine Lücke aussuchen und das Auto fährt ganz ohne Fahrer hinein.

Quelle: N24/ Laura Fritsch

Autoplay
Die Autos der Zukunft brauchen den Fahrer nicht mehr, um sicherer als heute von A nach B zu kommen. Die Technik ist überwiegend schon verfügbar – oder wird bald zur Verfügung stehen. Ein Problem bleibt aber.

Eigentlich wollte Google höchstens eine Nebenrolle spielen bei der Internationalen Automobilausstellung (IAA), die am Donnerstag in Frankfurt beginnt. Der Suchmaschinen-Konzern hat in diesem Jahr auf einen eigenen Stand bei der weltgrößten Automesse verzichtet und das, obwohl den Amerikanern große Ambitionen im Mobilitätsgeschäft nachgesagt werden.

Statt der futuristischen Google-Knutschkugeln, die schon autonom über kalifornische Straßen rollen, werden in Frankfurt Robotertaxis vieler anderer Hersteller zu sehen sein.

Doch kurz vor dem Start der Autoshow macht die Google-Tochterfirma Waymo nun doch noch auf sich aufmerksam. Seit einigen Monaten hat der Konzern alle Aktivitäten rund um das selbstfahrende Auto bei Waymo gebündelt und deren Chef John Krafcik wirbt nun per Interview um Kooperationen mit den klassischen Herstellern.

Google baut keine Autos mehr

Waymo wolle das Geschäft der Autobauer nicht durcheinanderwirbeln, sondern ihre Möglichkeiten erweitern, behauptet Krafcik im Gespräch mit der US-Nachrichtenseite „The Information“. Es werde bei selbstfahrenden Autos nicht mehr darauf ankommen, mit dem Verkauf der Fahrzeuge Geld zu verdienen, sondern mit der Nutzung. Das erste Autounternehmen, das sich auf diesen Wandel ausrichte, „wird gewinnen“, glaubt der Waymo-Chef.

Beim Ertrag pro genutztem Kilometer sieht Krafcik derzeit die Schwäche der Autobauer: Sie würden heute nur einen US-Cent pro gefahrene Meile verdienen, sagte er. „Das ist die wichtigste Statistik, an die man denken muss. Ich denke, wir können ihnen helfen, profitabler zu werden, indem wir einen besseren Deal bieten.“

Wie elektrisch ist die Internationale Automobilaustellung?

Die IAA in Frankfurt zeigt ein umfangreiches Angebot an elektrogetriebenen Fahrzeugen. VW-Chef Matthias Müller sehnt sich nach einer Versachlichung der Diskussion zurück.

Quelle: N24

Lange hatte Google darauf hingearbeitet, eigene Autos auf den Markt zu bringen, ließ testweise schon elektrische Zweisitzer durch das Silicon Valley fahren, die eigentlich keinen Fahrer mehr brauchen. Doch vor einigen Monaten stellte Waymo die Entwicklung eines eigenen Autos ein und will nun allein mit der Software-Technologie für das autonome Fahren Geld verdienen.

„Da haben einige gemerkt, dass das eben doch gar nicht so leicht ist, ein Auto zu bauen“, spottet ein Manager eines deutschen Autobauers. Und auch auf Kooperationen will sich bislang kaum ein Hersteller wirklich einlassen. Zu groß ist die Angst doch noch in Abhängigkeit von Google zu geraten.

Alle kochen ihr eigenes Süppchen

Stattdessen tüfteln die Autobauer allein oder in kleinen Grüppchen an ihren eigenen selbstfahrenden Systemen. Die autonome Zukunft wird deshalb neben der Elektromobilität eines der beherrschenden Themen bei der IAA sein.

Noch sind die selbstfahrenden Autos bestenfalls als Konzepte zu sehen. Schon im Frühjahr beim Autosalon in Genf hat VW ein Roboter-Taxi mit dem Namen „Sedric“ vorgestellt, das ohne Fahrer auskommen soll. BMW will mit dem i Next 2021 ein erstes weitgehend autonomes Fahrzeug auf den Markt bringen, Daimler und Bosch wollen ebenfalls Anfang des nächsten Jahrzehnts erste selbstfahrende Autos anbieten.

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So lange überbieten sich die Hersteller noch mit Assistenzprogrammen, die den Fahrern der Autos schon jetzt auf immer längeren Strecken die Arbeit abnehmen. Insbesondere im Premiumsegment können die Fahrzeuge bereits auf der Autobahn nicht nur das Tempo und den Abstand selbstständig halten, sondern auch ohne Eingriff des Fahrers die Spur wechseln und überholen.

Was das selbstfahrende Auto bei unvermeidlichem Unfall tun soll

Wer muss für eine Unfall mit einem selbstfahrenden Auto haften? Wen soll das Auto anfahren, wenn ein Unfall unvermeidlich ist? Damit hat sich die Ethik-Kommission des Verkehrsministeriums beschäftigt.

Quelle: N24/ Matthias Heinrich

Doch bis zum wirklich autonomen Fahren ist es noch ein großer Schritt. Vor allem die nächste Phase gilt unter Experten als schwierig, denn wenn das Auto bereits überwiegend allein fahren kann, muss der Fahrer trotzdem noch ständig in der Lage sein, innerhalb eines bestimmten Zeitraums die Kontrolle wieder zu übernehmen.

Welche Technologie wird überleben?

Doch Studien haben ergeben, dass das eine kaum zu bewältigende Aufgabe ist: aufmerksam bleiben, auch wenn man in der Regel nichts tun muss. Einige Autobauer denken daher sogar darüber nach, die nächste Stufe ganz zu überspringen und lieber in einigen Jahren als nächstes gleich ein voll autonomes System auf den Markt zu bringen.

Völlig offen ist auch noch, ob tatsächlich mehrere Anbieter der selbstfahrenden Technologie überleben werden. BMW-Entwicklungschef Klaus Fröhlich geht davon aus, dass am Ende wie bei vielen sicherheitsrelevanten Systemen nur eine Standard-Technik übrig bleiben wird. Der Münchner Autobauer setzt daher am stärksten auf Kooperationen.

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Zu dem Bündnis für das autonome Auto von BMW gehören inzwischen nicht nur der amerikanische Chipkonzern Intel und der israelische Kameraspezialist Mobileye, sondern auch die Zulieferer Delphi und Continental sowie mit FiatChrysler ein weiterer Autobauer. Daimler arbeitet mit Bosch zusammen, VW entwickelt die Technik markenübergreifend unter der Federführung von Audi.

Platz für einen mächtigen Konkurrenten wie Googles Waymo scheint da vorerst nicht zu sein. Schon einmal haben sich die deutschen Autobauer gegen den Suchmaschinen-Riesen verbündet. Gemeinsam kauften Audi, BMW und Daimler den Kartendienst Here von Nokia, weil man fürchtete, dass sonst Google Here schlucken könnte und so zum Monopolisten im Bereich der hochauflösenden Karten würde, ohne die kein autonomes Fahren möglich ist.

Rechtliche Grundlagen fehlen noch

Bislang hat sich lediglich FiatChrysler zu einem Bündnis mit Waymo bereit erklärt, doch das läuft alles andere als rund: 600 Pacifica-Minivans wollten beide Unternehmen zu Roboterwagen umbauen. Bislang sind laut „The Information“, aber nur 50 Fahrzeuge tatsächlich auf den Straßen der amerikanischen Stadt Phoenix im Einsatz.

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Bislang dürfen autonome Fahrzeuge ohnehin nur zu Testzwecken unterwegs sein. In München probiert BMW bereits mit rund 40 selbstfahrenden Autos die neu entwickelte Technologie auch in der Stadt aus. Doch für den regulären Betrieb fehlen auch noch die rechtlichen Grundlagen. Wieder mal sind die Europäer mit Gesetzen für neue Technologien langsamer als die USA.

Dort ebneten die Parlamentier in Washington vergangene Woche den Weg für eine schnelle Einführung der Robo-Taxis. Das US-Repräsentantenhaus hatte für den „Self Drive Act“ gestimmt, der landesweit einheitliche Regeln für das autonome Fahren vorsieht. Das Bundesgesetz soll einzelne Staaten in den USA daran hindern, restriktive Regeln für selbstfahrende Autos zu erlassen. Dadurch soll es für die Hersteller einfacher werden, ihre Fahrzeuge landesweit auf die Straße zu bringen.

Allerdings müssen sie dafür auch erst noch die potenziellen Autokäufer überzeugen. Die Deutschen stehen der autonomen Technik nämlich noch überwiegend skeptisch gegenüber. Nur 26 Prozent der Befragten konnten sich in einer Studie der Unternehmensberatung EY vorstellen, in ein autonomes Fahrzeug einzusteigen. 18 Prozent gaben an, vielleicht mitzufahren.

Autonome Autos sollen weniger Unfälle verursachen

Die Mehrheit von 51 Prozent gab an, eher nicht oder auf gar keinen Fall selbstfahrende Fahrzeuge nutzen zu wollen. Männer (53 Prozent) stehen dem autonomen Fahren offener gegenüber als Frauen (35 Prozent). Auch unter jüngeren Befragten und bei Vielfahrern ist die Bereitschaft größer, den selbstfahrenden Autos eine Chance zu geben.

Zwei Drittel der Befragten gaben an, dass sie autonome Fahrzeuge für zu unsicher halten. Dabei sollen die selbstfahrenden Autos gerade die Zahl der Unfälle reduzieren. Rund 90 Prozent aller Zusammenstöße im Verkehr gehen auf menschliche Fehler zurück.

Doch Unfälle wie der eines Tesla im sogenannten Autopilot-Modus verunsichern offenbar viele Menschen. Zudem machen auch erfolgreiche Hackerattacken auf Autos Schlagzeilen.

Bereits vor mehr als einem Jahr gelang es einer Gruppe von Hackern die Kontrolle über einen fahrenden Jeep zu übernehmen. Mit der für das autonome Fahren notwendigen immer stärkeren Vernetzung der Fahrzeuge steigt auch dieses Risiko. Deshalb wird parallel zur Technik für das selbstfahrende Auto auch verstärkt an der Sicherheit vor solchen Attacken gearbeitet.

Hohe Sicherheit ist möglich

Der deutsche Chipkonzern Infineon bietet beispielsweise eine Technik an, die in ähnlicher Weise auch Kreditkarten sicher macht. „Unser Chip ist dabei ein Vertrauensanker: Wenn das Auto gestartet wird, fährt die Software hoch und überprüft, ob sie noch in dem Zustand ist, der in dem Chip gespeichert ist“, erklärt Infineon-Chef Reinhard Ploss im Gespräch mit der WELT. „Erst wenn alles in Ordnung ist, kann man losfahren.“

Wenn Hackerattacken auf Autos in der Vergangenheit gelungen seien, dann habe das vor allem daran gelegen, dass es den Angreifern zu leicht gemacht wurde. „Es sollte uns schon gelingen, dass wir einen Sicherheitsstandard aufbauen, der keinen breitbandigen Angriff zulässt, mit dem man beispielsweise alle Modelle X vom Hersteller Y beeinflussen kann“, sagt Ploss.

„Wir können Systeme schaffen, die zumindest für die absehbare Zeit einen sehr hohen Sicherheitsstandard bieten und updatefähig sind.“ Nicht verhindern lasse sich so jedoch eine Attacke, die darauf zielt, das Netz, mit dem das selbstfahrende Auto verbunden ist, zu stören. Für Ploss gibt es daher nur eine Lösung: „Das wirklich autonome Fahrzeug wird ohne jede Verbindung mit dem Internet auskommen.“

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